Episode 063: Schießen Sie auf den Pianisten (Tirez sur le pianiste), 1960

Ein Filmarchiv - Un pódcast de Brockmann & Ecke

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Nouvelle Vague-Meister Truffaut macht in seinem zweiten Film auf Film Noir, interessiert sich aber weniger für den angetäuschten Gangster-Plot, als mehr für Beziehungen und wie sich das ganze Thema mit Mann, Frau und Sexualität im jungen, modernen Frankreich neu aushandelt. Ein Widerspruch? Ganz und gar nicht, denn SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN arbeitet sich an den sozial veralteten Modellen von femme fatale bis femme fragile ab und nutzt Noir als den wiederentdeckten expressionistisch-existenzialistisch geprägten Euro-Export in das Hollywood-Kino, um Form, Narration und vor allem Kontext in die Heimat zurückzuholen. Denn hier diskutiert gerade die junge, erst nach dem Weltkrieg erwachsen gewordene Generation in Pariser Cafés über Camus, Sartre und de Beauvoir; das Frauenbild ändert sich, die alten Vorstellungen greifen nicht mehr. Truffaut zeigt an seinem schüchternen Hauptcharakter die Verunsicherung, die mit einer neuen Verhandlung der Geschlechterrollen und -beziehungen einhergeht, aber auch, warum das einfach notwendig und richtig ist. Dabei nutzt er alle Methoden der politique des auteurs: der filmische Blick bleibt männlich, der Figur und dem Regisseur zugeordnet. Das Bild ist zudem immanent, direkt, die Erzählung subjektiv. Zusammen mit Raoul Coutards faszinierender Bildstrategie, die zwischen dem neuen, niemals perfekt wirkenden Filmbild im Jetzt und der visuellen Norm in der verschachtelt offengelegten Vergangenheit wechselt, entsteht so bei uns der Eindruck: eigentlich ist das hier ein Film Noir, eben einer gefilmt durch eine neue, moderne Linse und erzählt mit einem unbedingten Willen zum Auteurismus, der auch seinem Publikum zutraut, die formale Neukonfiguration auf die Aushandlung eines (in den 60ern) modernen Geschlechterverhältnisses zu übertragen. Darüber müssen wir im Detail reden…

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